Magie auf der Kinoleinwand

Licht, Bewegung und Ton. Das sind die drei Elemente, die notwendig sind, um Kino zum Leben zu erwecken. Und oft bedarf es nicht einmal besonderer Details oder komplizierter Drehbücher, damit ein Filmwerk in seiner ganzen visuellen und akustischen Kraft auf die Leinwand projiziert werden kann. Die Theorien von Peter Kubelka, der für seine „extremen“ und höchst experimentellen Kurzfilme bekannt ist, basieren eindeutig auf diesem Konzept, was den Begriff der Inszenierung selbst und die ständige Suche nach reinen Formen des Kinos betrifft. Wenn man sich den Kurzfilm Realtime auschaut, versteht man, dass dieser Meinung auch der Regisseur Siegfried A. Fruhauf ist, der schon immer gewohnt war, mit allen möglichen Formen der Inszenierung zu experimentieren (sowohl im Animations- als auch im Live-Action-Film), auch wenn er deutlich weniger „extrem“ ist als sein Kollege Kubelka.

In Realtime wirkt Fruhauf jedoch extremer denn je. Auf einer völlig schwarzen Kinoleinwand sehen wir unten langsam einen kleinen gelben Fleck auftauchen. Dieser Fleck bewegt sich allmählich auf die Mitte des Bildes zu, um sich dann als Himmelskörper zu entpuppen. Ein Himmelskörper, der sich auf einer sehr präzisen Umlaufbahn bewegt und der es uns daher leicht macht, vorherzusagen, wo er sich positionieren wird. Aber warum verspüren wir dann dieses starke Gefühl der Spannung, während wir uns Realtime ansehen?

Hier kommt also die Musik selbst ins Spiel. Eine essentielle, extrem minimalistische Musik, die von Jürgen Gruber und Christoph Ruschak für diesen Anlass gekonnt überarbeitet wurde. Eine Musik, die in der Lage ist, nicht nur eine starke Spannung, sondern auch eine Art Erwartungshaltung beim Publikum selbst zu erwecken. Auf welche Weise wird Siegfried A. Fruhauf aufhören, diesen Stern zu beobachten? Wie wird sich seine Herangehensweise an das, was vor seiner Kamera geschieht, verändern?

In Realtime braucht es also praktisch nichts anderes mehr, damit sich Film auf der Kinoleinwand in seiner ganzen kommunikativen Wirksamkeit manifestiert. In kaum mehr als vier Minuten passiert also das Wunder. Die ZuschauerInnensind wie verzaubert. Siegfried A. Fruhauf weiß genau, wann er sein Werk unterbrechen muss, und schenkt uns gleichzeitig ein paar wichtige Minuten reiner Schönheit. Dokumentarfilm, Experimentalfilm, reiner Film. Realtime lässt sich auf viele verschiedene Arten kategorisieren, wobei er in jede dieser Kategorien voll hineinpasst. Und indem der Film sich selbst als eines der extremsten und minimalistischsten Werke des Grieskirchner Regisseurs einordnet, bestätigt er einmal mehr das außergewöhnliche Talent seines Autors, mit dem filmischen Medium zu spielen und sich nie zu scheuen, neue Wege zu gehen und zu experimentieren. Wer nie experimentiert, entwickelt sich nicht weiter. Und Siegfried A. Fruhauf scheint sich dieses Konzept schon seit langem zu eigen gemacht zu haben.
(Marina Pavido - Cinema Austriaco)

 

Alles, was Film ist, lässt sich auf zwei Gegebenheiten zurückführen: Licht und (im Gleichmaß strukturierte) Bewegung. Auf die Frage wiederum, was Licht und Bewegungsgleichmaß ist, gibt es viele mögliche Antworten. Siegfried Fruhauf hat sich für die schlichteste entschieden und sie in REALTIME auf den buchstäblich einleuchtendsten und sinnbildlich eindeutigsten Punkt gebracht: die Sonne. Das Licht der Sonne ist das einzige Licht, das die Kinoleinwand in REALTIME hell werden lässt. Und ihr in Realzeit gefilmter Aufgang ist die einzige Bewegung, die wir wahrnehmen – und die uns gewahr werden lässt, dass jede Bewegung (im Kino und im Kosmos) zeitlich ist.
Alles, was Film darüber hinaus ist, ist Verhandlungssache.
Zum Beispiel die Sache mit dem Unschärfebereich zwischen (begründeter) Erwartung und (tatsächlicher) Auflösung, die wir Spannung nennen: Nachdem der wandelnde Lichtbogen auf der Leinwand als Himmelskörper etabliert ist, haben wir allen Grund zur Annahme, dass er seine Bahn im absoluten Gleichlauf fortsetzen wird, aber wir fragen uns gespannt, an welchem Punkt (und/oder durch welche Pointe) der Filmemacher ihn dem Blick entziehen wird.
Oder die Sache mit dem Soundtrack, die immer auch eine Sache der Willkür ist und im willkürlichsten Fall Musik heißt. Die unumstößliche Bewegung von Fruhaufs Protagonistin wird begleitet vom Groove eines spielerisch verfremdeten Popsongs – dem absoluten Metrum wird ein Moment der subjektiven Dauer unterstellt. REALTIME ist die Rückführung des Film-Möglichen an seinen Nullpunkt – und eine gewitzte Andeutung der Möglichkeiten, die sich von diesem Punkt weg wieder neu (und endlos weiter) denken lassen.
(Robert Buchschwenter)

 

The magic on the movie screen

Light, movement and sound. These are the three elements necessary for cinema to come to life. And often there is not even a need for special effects or elaborate scripts for a film to be shown on the movie screen in all its visual and aural power. The theories of Peter Kubelka, who is known for his ‘extreme’ and highly experimental short films, are clearly based on this concept, as far as the concept of staging itself and the constant search for pure forms of cinema are concerned. Watching the short film Realtime, the director Siegfried A. Fruhauf, who has always been used to experimenting with every possible form of mise-en-scène (both in terms of animated and live-action cinema), seems to be of the same opinion, although he is decidedly less ‘extreme’ than his colleague Kubelka.

In Realtime, however, Fruhauf seems more extreme than ever. On a totally black screen we see, at the bottom, a small yellow spot slowly appear. This spot gradually moves towards the centre of the frame, only to reveal itself to be a celestial body. A celestial body that moves following a very precise orbit and which, therefore, makes it easy for us to predict where it is going to position itself. But then, why do we feel this strong sense of suspense while watching Realtime?

Here, then, music comes into play. Essential, extremely minimalist music, skilfully reworked for the occasion by Jürgen Gruber and Christoph Ruschak. A music capable of raising not only a strong sense of suspense, but also a kind of expectation on the part of the viewer himself. In what way will Siegfried A. Fruhauf will stop observing such a star? How will his approach to what is happening before his camera change?

In Realtime, therefore, there is practically no need for anything else for Cinema to manifest itself on the movie screen in all its communicative power. In little more than four minutes, then, the magic happens. The viewer is hypnotised. Siegfried A. Fruhauf knows perfectly well when to interrupt his work and, at the same time, gives us a few essential minutes of pure beauty. Documentary cinema, experimental cinema, pure cinema. Realtime can be categorised in many different ways, while fully belonging to each of these categories. And in classifying itself as one of the most extreme and minimalist works by the director from Grieskirchen, it confirms once again the extraordinary talent of its author in playing with the cinematic medium, never afraid to dare or to try new paths. If one ever experiments, one never evolves. And Siegfried A. Fruhauf seems to have made this concept his own for a long, long time now.
(Marina Pavido - Cinema Austriaco)

 

All that film is can be reduced to two elements: light and (proportionately structured) movement. And there are many possible answers to the question of what light and proportionate movement are. In REALTIME, Siegfried Fruhauf has decided on the most simple one, summing it up in the most symbolically unequivocal and, literally, most illuminating way: the sun. The light of the sun is the only type of lighting used to illuminate the movie screen in REALTIME. And the sunrise, filmed in realtime, is the only discernible motion – which makes us realize that all motion, in film and in the cosmos, is temporal.
Everything else about film is negotiable, such as the fuzzy area between (justified) expectation and (actual) fulfillment, which is known as suspense. After the moving electric arc on the screen has been revealed to be a heavenly body, we have every reason to believe that it will continue its forward motion in an absolutely constant orbit. At the same time, we eagerly ask at which point (and/or through which points) the filmmaker will remove his gaze from it.
Or the soundtrack, which also represents an arbitrary matter, and which is called music in the most arbitrary of cases. The irreversible movement of Fruhauf´s protagonist is accompanied by the groove of a playfully altered pop song – the absolute meter is subordinated to a moment of subjective duration. REALTIME returns the possibilities available to film to their absolute zero – and provides a clever hint at what can be reimagined proceeding from this point (and on to eternity).
(Robert Buchschwenter, Translation: Steve Wilder)