REAL
A 2021 | DCP or HD File | colour | Stereo | 3 Minutes | Music: ATTWENGER
wusch jawoi super very unique ästhetic riddim riddim foad zeit verfliegt love it!!! a picobello guade fruhaufattwenger gschicht. (Markus Binder)
„hier ist alles konstruiert, bis zu 70 spuren pro song, die texte, sofern nicht spontan entstanden, über monate, teilweise über jahre zusammengefrickelt. hier ist nichts authentisch, aber alles täuschend echt.“ – Markus Binder über das Attwenger-Album drum, auf dem wiederum der Song real auch nur scheinbar dem Volksmund aufs Maul schaut: mia is des ois zu realistisch / mia is des olles zu real. Gut, das sagen die Leute wirklich, weil sie mit der Wirklichkeit und mit der wirklichkeitsgetreuen Darstellung derselben mehrfach Probleme haben, aber relativ selten Systemtheorie und speziell Niklas Luhmann studieren, der seinerseits folgende tückisch klare Formulierung prägte: "Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben wissen, wissen wir durch die Massenmedien." Und: "In der Wahrnehmung des Massenmedien-Systems verwischt sich die Unterscheidung der Welt, wie sie ist, und der Welt, wie sie beobachtet wird."
Man kann, und damit sind wir bei REAL, dem Musikvideo von Siegfried A. Fruhauf, diesen Satz auch umdrehen: In der Wahrnehmung der Welt verwischt sich die Unterscheidung der Massenmedien, wie sie sind und der Trägermedien, auf die sie ihre Beobachtungen aufzeichnen und transferieren. Fruhauf hat Arbeiter verlassen die Fabrik, den Early-Cinema-Klassiker der Brüder Lumiere im gleichnamigen Filmessay von Harun Farocki „wiedergefunden“; er hat ihn von einer VHS-Kassette auf eine DVD transferiert; er hat bei einer Sichtung vom TV-Bildschirm Details herausgezoomt und abgefilmt. Und jetzt pulsieren zum treibenden Attwenger-Beat diese Lichtspuren, diese Überbleibsel von digitalisiertem explodierendem Silberkorn, als wären sie Signale aus einer Lichtjahre entfernten Galaxis, die jetzt erst mit entsprechender Verzögerung auf inadäquaten Monitoren gelandet sind. Das wäre, wie REAL als Song und Video, eine sehr direkte, emotionale Erfahrung, aber authentisch? Wie schrieb Rainald Goetz einmal über den Einfluss von Luhmann auf sein Schreiben: „Bei mir stimmen die Details immer extra genau NICHT, damit das Echte als Ganzes besser stimmt.“ (Claus Philipp)
"Everything here is fabricated, up to 70 tracks per song. Lyrics that did not happen spontaneously were patched together over the course of months, sometimes years. Nothing here is authentic, but everything deceptively real," to quote Markus Binder about the Attwenger album drum, including the song real which only apparently taps into vernacular dialect: mia is des ois zu realistisch / mia is des olles zu real = for me it's all to realistic, for me it's all too real". Okay, but actually this is what people are really saying, because they have a lot of problems with reality as well as its supposedly realistic depiction. Not that they often study systems theory and specifically Niklas Luhmann, whose thought was guided by the insidiously lucid formulation, "What we know about our society and about the world in which we live, we know through mass media," and, "The perception of mainstream media systems obscures the difference between the world as it is and the world as it is observed."
Translation: Eve Heller